Januar 2022
Ran an die Pulle
Viele Kinder und Jugendliche trinken zu wenig und zu selten. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Paderborn. Mögliche Folgen sind verminderte Aufmerksamkeit und ein Nachlassen des Konzentrationsvermögens. "Trink nicht so viel, dann hast du gleich keinen Hunger mehr!" Klingt Ihnen dieser Satz auch noch in den Ohren? Generationen von Kindern wuchsen mit dem Hinweis auf, zunächst sei der Hunger und dann erst der Durst zu stillen. Diese Volksweisheit gilt jedoch schon lange nicht mehr. Ich erinnere mich noch gut an die 1970-er Jahre, als das Trinken beim Sport verpönt war. Heute heißt es hingegen: Kinder sollten über den ganzen Tag verteilt regelmäßig Flüssigkeit aufnehmen, am besten in Form von Wasser, Saftschorlen, Früchte- oder Kräutertees.
Ist aber diese Botschaft schon bis in die Elternhäuser vorgedrungen? Dieser Frage nahmen sich Wissenschaftler von der Universität Paderborn an und untersuchten die Trinkgewohnheiten unseres Nachwuchses. Heraus kam, dass die durchschnittliche Flüssigkeitszufuhr deutlich unter den empfohlenen Richtwerten liegt. Soll heißen: Kinder und Jugendliche trinken nicht genug. Die 9- bis 13-Jährigen nehmen zum Beispiel rund 20 Prozent zu wenig Flüssigkeit zu sich. Bei den Mädchen sind die Werte im Durchschnitt schlechter als bei den Jungen. Erschreckend ist außerdem, daß über 50% der deutschen Kinder ihre Haupttrinkmenge erst nach 18 Uhr zu sich nehmen und dann früh schlafen gehen. Das stört nicht nur empfindlich die Nachtruhe der Kleinen, außerdem wird nicht dann getrunken, wenn wirklich Flüssigkeit gebraucht wird, etwa vor und nach dem Sport.
Wer zu wenig trinkt, bei dem sinken Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und körperliche Leistungsfähigkeit. Hingegen steigt längerfristig die Gefahr, dass sich Harnsteine bilden. Auch das Krebsrisiko im Dickdarm und in den Harnwegen erhöht sich. Also: Lasst die Kinder ran an die Pullen. 6- bis 13-Jährige sollten mindestens 1 Liter, 13- bis 19-Jährige mindestens 1,5 Liter täglich trinken. Hier ein paar Tipps, wie die empfohlene Menge erreicht werden kann.
- Zum Essen sollten immer auch Getränke angeboten werden. Allerdings ist nicht jedes Getränk geeignet. Süße Säfte und Limonaden (u.a. zuviel Phosphat und/oder Kalorien!) sollten die absolute Ausnahme sein. Gut geeignet sind Wasser, selbst zubereitete Saftschorlen (Obstsäfte mit (Mineral-)Wasser verdünnt) sowie Früchte- oder Kräutertees Fertige Saftschorlen sind ungeeignet, da sie oft künstliche Süßungsmittel oder Aromen enthalten. Milch zählt aufgrund ihres Eiweiß- und Fettgehaltes als Lebensmittel wird daher nicht als Flüssigkeitsspender gerechnet.
- Eine Flasche Wasser kann überall dort bereitstehen, wo sich die Kinder aufhalten: beim Schreibtisch, im Spielzimmer, in der Küche. Außerdem gehört auch zum Schulfrühstück und in die Sporttasche immer ein Getränk. Getränkeflaschen sollten grundsätzlich aus Glas bestehen, da Kunststoffe Chemikalien absondern.
- Bei jeder Anstrengung wie auch bei Hitze sollte darauf geachtet werden, dass die Kinder den Flüssigkeitsverlust wieder ausgleichen, das heißt ausreichend trinken.
Kinder haben - wie übrigens ältere Menschen auch - nur ein schwach ausgeprägtes Durstempfinden. Daher ist es umso wichtiger, dass sie sich an regelmäßiges Trinken gewöhnen, denn regelmäßige Flüssigkeitszufuhr kann man lernen. Dazu sollten Eltern ihre Kinder immer wieder ermuntern und es ihnen natürlich gleich tun. Übrigens: Spannungskopfschmerzen lassen sich oft „auswaschen“, indem man innerhalb von 45 Minuten einen Liter reines Wasser trinkt.
Dr. Hans-Peter Weinschenck